Erste Hilfe beim Jagdhund

Susanne Emmenegger • 30. September 2025

Erste Hilfe beim Jagdhund



Unsere Jagdhunde – Jagdgehilfen und Familienmitglieder, Kumpel, Begleiter und Seelentröster. Wir reden hier über unsere Hunde, die die meiste Zeit des Jahres nicht im jagdlichen Einsatz stehen. Und wenn es endlich soweit ist, geniessen sie eine Freiheit, die ihren Artgenossen vergönnt ist. Doch die Zeit der Freiheit birgt auch Gefahren. Hunde, die ihren Jagdtrieb ausleben dürfen, die Wild aufspüren und verfolgen dürfen, die Begegnungen mit panischen oder gar verletzten Stücken haben, können jederzeit verunfallen. Was tun, wenn mein Hund einen Unfall hat und wie kann ich vorbeugen und ihn schützen?

 

Im Internet gibt es zahlreiche Beiträge zum Thema 1. Hilfe beim Hund. Meist wird vorausgesetzt, dass der Unfall in Umgebung des Hauses, in bewohntem Gebiet, in der Nähe des Autos und bei bestem Handyempfang geschieht. Auch sind immer genügend Helfer vor Ort und die grosse Apotheke ist ausreichend ausgestattet. Was aber, wenn der Hund in einem Graben liegt? Auto und Aserplatz nicht in der Nähe sind, das Handy keinen Empfang hat? Dann kann man nicht seinen Tierarzt anrufen und fragen, was man tun soll, kann nicht auf dem Telefon eine hilfreiche Seite über Notfallmassnahmen aufrufen – man muss sich selber zu Helfen wissen, improvisieren und vor allem Ruhe bewahren. Wer sich bereits einmal mit der Materie befasst hat, handelt weniger panisch, kann Massnahmen abrufen und anwenden. Viele Tierärzte und kynologische Vereine bieten auch Kurse an. Zuhause üben macht den Ernstfall für Hund und Besitzer weniger stressig.

 

Das Schlimmste, was einem Jäger passieren kann, ist ohne Hund heimzukehren. So ist es Roli W. aus Grindelwald geschehen. Seine Geschichte hat ein Happy End… Es war ein ganz normaler Jagdtag mit der Rehgruppe im Emmental. Einer der Jäger schnallte den Hund und ging auf den Trieb, die andern vier Jäger verstellten das Gebiet, bildeten die Schützenlinie. Rolis Berner Niederlaufhunde sind nie ohne GPS-Sender unterwegs. Gerade in Gebieten mit schlechtem Handyempfang ist ein gutes System wichtig. So konnte Roli auf dem Empfänger beobachten, wo seine Hündin Aijta unterwegs war. Er konnte hören, dass sie Wild aufgemacht hatte – ihr Laut tönte durch den Wald. Dann war Aijta längere Zeit an derselben Stelle auszumachen, ohne jedoch Standlaut zu geben. Da das Navi zeigte, dass sie sich nicht vom Fleck bewegte, machten sich die Jäger besorgt auf die Suche. Das Empfangsgerät führte sie an den Rand eines tiefen Grabens – es gab keinen Weg nach Unten. Rolis Sohn steckte einen weiteren Sender ein, damit er auf dem Empfänger zu orten war und fuhr mit dem Auto los. Er suchte einen einfacheren Weg zu Aijta. Roli konnte ihn sicher führen, da er auf seinem Empfänger die Positionen von Hund und Sohn hatte. So fand Jonas die schwer verletzte, bewusstlose Hündin am Fusse einer 50 Meter hohen Nagelfluhwand. Sie war wohl mit Gämsen unterwegs und ist abgestürzt. Der Hund konnte sicher geborgen werden. Roli stiess zu ihnen und bekam von einem Bauern, dem er begegnete, die Nummer des nächsten Tierarztes – Glück im Unglück- die Veterinärin hatte Notfalldienst und wartete in der Praxis auf den verunfallten Vierbeiner. Aijta hatte innere Verletzungen, wurde notversorgt und sofort nach Thun ins Tierspital gefahren. Roli musste am Abend seiner Frau erklären, weshalb er ohne Hund heimkam. Aijta habe nur eine geringe Ueberlebenschance. Nebst einem Lungenriss hatte sie ausserdem einen dreifachen Beckenbruch erlitten. Erst nach drei Tagen gaben die Tierärzte Entwarnung. Ajita hat überlebt und kann wieder jagen, ihr Abenteuer ist gut ausgegangen. Ohne GPS hätten die Jäger sie kaum rechtzeitig gefunden, wenn überhaupt, und sie wäre innerlich verblutet.

 

 

 

Auf der Hochjagd und auf der Pirsch hat man in der Regel eine kleine Apotheke dabei, auf der Drückjagd bleibt der Rucksack mit Apotheke oft im Auto. Verunfallt ein Hund, hat man also in der Regel nur die allernötigsten Hilfsmittel bei sich und muss improvisieren. Im Idealfall kann man mit dem Auto bis zum verunfallten Tier oder in seine Nähe gelangen und hat Helfer in der Nähe.

 

Ich pflücke hier einige der häufigsten Notfallsituationen heraus. Eine umfangreiche Beschreibung von Symptomen und Massnahmen würde den Rahmen dieses Beitrages bei weitem sprengen. In jedem der genannten Fälle ist unverzüglich ein Tierarzt aufzusuchen.

 

Der verunfallte Hund muss unbedingt gesichert werden, damit er nicht in Panik davonlaufen kann. Halsband und Leine, wenn möglich festbinden. Bei starken Schmerzen wird der Vierbeiner auch Herrchen zu beissen versuchen; eine Maulschlinge beugt dem vor. Seitenlagerung immer auf die rechte Seite, damit er jederzeit wiederbelebt werden kann (Herzmassage, Beatmen). Die Untersuchung des verletzten Tieres sollte wenn möglich zu zweit erfolgen. Der Hund muss beruhigt werden und sollte keinem weiteren Stress ausgesetzt werden.

 

Tierarzt kontaktieren und informieren:

-         Was ist passiert

-         Wann ist es passiert

-         Art der Verletzung

 

Schock

 

Symptome:       -     Hund wirkt apathisch

-         geschwächt

-         taumelt, unsicherer Gang

-         zittert, als würde er frieren

-         die Schleimhäute sind blass (kapilare Füllzeit prüfen)

-         Herzschlag beschleunigt (Puls prüfen)

 

Ausgelöst durch:

-         Schlangenbiss (Hund jault laut auf, sichtbare doppelte Einbissstelle, Schwellung mit dunkler Verfärbung). Oft wird ein Hund von einer Schlange gebissen, ohne dass man diese zu sehen bekommt.

-         Hitzschlag (ganzer Körper überhitzt), Sonnenstich (kann auch bei Normaltemperaturen aber konstanter Sonneneinstrahlung erfolgen)

-         Insektenstich (meist, wenn mehrere Bienen, Wespen zugestochen haben)

-         Stromschlag

-         innere Verletzungen (blasse Schleimhäute, aufgetriebener Bauch, erschwerte Atmung)

-         hoher Blutverlust

 

Massnahmen:  -     überhitzte Tiere mit Wasser oder nassen Tüchern abkühlen, im Schatten lagern,   

      Wasser anbieten. Wenn der Hund nicht ansprechbar ist, sofort zum Tierarzt

-     Insektenstachel wenn möglich entfernen

-     Bei Schlangenbissen ist es hilfreich zu wissen, welche Schlange es war. Betroffene

       Gliedmasse abbinden, Hund ruhig stellen, so schnell wie möglich zum Tierarzt 

-     Allgemein gilt, bei Schock schnellstens zum Tierarzt

 

 

 

Stark blutende Wunde

 

Druckverband anlegen. Dabei mit sterilem Vliess abdecken und mit Mullbinde mit Druck einbandagieren. Im extremen Notfall Wunde abdecken mit einem T-Shirt, Schal, was gerade da ist, egal, ob steril. Druckverband mit Klarsichtfolie (1/2-Rolle in der Notfallapotheke). Eine Wundinfektion kann später behandelt werden, Hauptsache, die Blutung wird gestillt. Bei hohem Blutverlust droht Schock.

 

Knochenbrüche

 

Knochenbrüche können mit einem Stock und einer langen Binde geschient werden. Dies um die Gliedmasse ruhig zu stellen und weiteren Verletzungen beim Transport vorzubeugen. Die Ausrichtung des Knochens hingegen ist Aufgabe des Tierarztes. Wichtig ist, dass die verletzte Stelle gut gepolstert wird und die Schiene genügend lang ist.

 

Offene Knochenbrüche dürfen nicht geschient werden.

 

Beim Tragen lässt man die verletzte Gliedmasse hängen.

 

FOTO von geschientem Bein (Laika)

 

Atemstillstand

 

Mögliche Ursachen: Ertrinken, elektrische Schläge, Fremdkörper im Rachen: Versuchen Sie, den Hund künstlich zu beatmen via Nase. Fang zuhalten. Brustkorb manuell pressen bei Seitenlage auf die rechte Seite. Bei Ertrinken Hund zuerst an den Hinterläufen aufhalten, damit das eingeatmete Wasser abfliessen kann.

 

Transport, Bergen

 

Kleinere Hunde können getragen werden. Grosse Hund kann man längs auf eine Decke, Jacke, Pellerine legen und zu zweit tragen. Zur Not kann man einen schweren Hund alleine ziehen. Mit zwei Stangen und einem T-Shirt kann eine Schleppe gebastelt werden.

Bei Verletzungen der Wirbelsäule darf der Hund nicht durchhängen. Wenn möglich, sollte er auf einem Brett oder auf einer Trage mit stabiler Unterlage transportiert werden.

 

Wenn kein Transport möglich ist und der Hund sterben könnte, sollte man die Feuerwehr aufbieten.

 

Weitertransport im Auto:

 

Hund weich lagern. Transportkiste, Wildwanne auspolstern. Eine Person, wenn möglich der Besitzer, sollte beim Hund sitzen und ihn beruhigen und beobachten.

 

 

 

 

Kapilare Füllzeit prüfen:

 

Die Mundschleimhaut ist im Normalfall rosa. Drückt man darauf, wird die Stelle blass, färbt sich jedoch sofort wieder rosa. Bei Schock ist die Schleimhaut blass. Beim Ueberprüfen ist Vorsicht geboten. Der verletzte Hund könnte beissen.

 

Puls prüfen

 

Der Puls kann in der Leiste gefühlt werden. Grosse Rassen haben einen Normalpuls von 80-100 pro Minute, kleine Rassen 100-120 pro Minute. Der Puls kann bei der Arbeit (Jagd) oder durch Aufregung erhöht sein.

 

Foto

 

Maulschlinge anlegen

 

Fotos Maulschlinge 1,2,3+4

 

Eine Maulschlinge darf nie angelegt werden bei Atemnot, drohendem Erbrechen oder Bewusslosigkeit, bei Hitzschlag.

 

Es empfiehlt sich, das Anlegen der Maulschlinge ab und zu mit dem Hund zu üben. Ein verletzter, panischer Hund wird sich heftig dagegen wehren.

 

 

Weitere häufige Verletzungen

 

Bisswunden (oft bei Keilerei am Stück):

Diese Verletzungen sind immer infiziert und es empfiehlt sich die Gabe von Antibiotika. Wunden von mehr als 2cm Länge und tiefe Wunden sollten genäht werden.

 

Verletzung der Augen

Auf jeden Fall vom Tierarzt kontrollieren lassen.

 

Erschöpfung

Dem Hund Wasser anbieten, evt. Elektrolytegetränk. Leichtes Futter, Müsliriegel

 

Schussverletzung/ Verkehrsunfall (Auto, Motorrad, Bike, E-Bike)

Hier ist auf jeden Fall die Polizei einzuschalten

 

 

Was gehört in die kleine Apotheke,

-         Notfallapotheke für Menschen

-         Wärmefolie, Handschuhe, Tampons für Blutstillung

-         Schmerzmittel für Mensch und Hund

-         Insektenstift

-         Klarsichtfolie, halbe oder 1/3 Rolle (Druckverband)

 

was gehört ins Fahrzeug?

-         Sauberes Wasser

-         Futter

-         Trockene Tücher

 

Wie schütze ich meinen Hund vor Unfällen? Wie kann ich vorbeugen:

-         Hund immer mit Ortungssystem jagen lassen, wo kein oder schlechter Handyempfang mit GPS über Satellit

-         Bei Drückjagden auf Wildschwein Schutzweste, ansonsten Signalweste oder Signalhalsung

-         Gefahren vor der Jagd abschätzen (stark befahrene Strassen, Bahngeleise), Jagd entsprechend planen

-         Hund nicht mit vollem, aber auch nicht mit leerem Magen jagen lassen

 

Selbstverständlich werden unsere Hunde nach ihrem Einsatz mit frischem Wasser und evt. Futter versorgt. Sie werden trockengerieben und können sich an einem windgeschützen schattigen Ort oder im Auto (Frischluft, Schatten) ausruhen und erholen.

 

 

 

Ich danke Yvonne Jaussi aus Langnau, Tierärztin und Jägerin, für die medizinische Beratung.

Fotomodell: Laika vom Buchrain, 13, beste Wachteline ever

 

 

 

Fotolegende

 

Beinschiene

 

Das verletzte Bein wird geschient

 

Maulschlinge 1

 

Schlinge formen und über der Schnauze mit einem Halbknoten festziehen

 

Maulschlinge 2

 

Schlinge unten am Kinn mit einem ganzen Knoten festmachen

 

Maulschlinge 3 und 4

 

Von unterhalb des Kinns mit den beiden Enden hinter den Hals gehen und hinter den Ohren am Nacken fest verknoten

 

Puls

 

Puls erfühlen

 

Aijta und Roli - Dreamteam

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